Italien. Ein Dorf. Die Bewohner schlafen.
Susanna schläft bei offener Balkontür,
den Sichtschutz hält sie geschlossen.
Streifen aus Schatten und Licht.
Sie träumt von Hufgeklapper,
hell auf dem Kopfsteinpflaster, Ziegen.
Ein Schatten im Raum, auf ihrem Gesicht.
Es riecht nach Oliven, Sand und Entscheidungen.
Die Tiere gehen durch die Nacht. Susanna seufzt,
zieht das Kissen an sich. Morgen wird sie
keine Kränze flechten, sagt sie sich im Schlaf.
Morgen wird sie ihre Kleider falten und
in den Koffer legen. Morgen wird sie in den Zug
nach Norden steigen, der sie zu Eduardo
bringt. Die Ziegen klackern die Gasse hinauf.
Weiter. Fast sind sie verschwunden.
Ob Susanna es morgen noch weiß?
Falls Susanna es nicht mehr weiß, wird sie
morgen Kränze flechten. Stängel an Blüten
um eine Leere, die Eduardo hinterlassen hat.
Geschichten erzählen sich wieder und wieder
wandern die Ziegen weiter durch die Nacht.
Hufgeklapper, eine Uhr tickt an kahlen Wänden.
Koffer bleiben ungepackt. Kleider hängen.
Stängel und Blüten, Stängel und Blüten
und der Wind pfeift durch die Gassen
und durch die Kränze, die an den Türen wachen.
Und die Sommerhitze treibt Schweiß auf
ihre Haut wie ein Fieber oder die Erinnerung
an Eduardo. Sie bindet Stängel wie Tage einen
an den anderen und Züge fahren ohne sie nach
Norden. Morgen vielleicht. Wer weiß.
Falls Susanna es noch weiß, wird sie die Kleider
falten und in den Koffer legen und in den Zug
steigen nach Norden. Sie wird telefonieren mit
knisternder Leitung im Postamt. Die Kränze werden
bleiben, bis andere sie flechten, und die Ziegen
setzen an zum Galopp. Eduardo wird da sein,
wird sie umarmen und ihren Koffer tragen. Sie
werden Wein trinken und reden und früh
zu Bett gehen, und nachts werden Vespas durch
die Gassen knattern und durch ihre Träume mit
wehendem Haar und flatterndem Herz und morgen
wird Susanna eine Arbeit finden, vielleicht beim
Blumenhändler, und sie wird Kränze flechten.
Stängel an Blüte, Stängel an Blüte…
Die Geschichte wird sich weiter erzählen und Züge
werden nach Norden fahren und Ziegen durch Gassen
klappern und Eduardo wird fortgehen, nur die Vespas
werden nicht mehr durch ihre Träume knattern,
weil sie das nur einmal tun. Nur wenn Susanna
es wirklich weiß, wird sie keine Kränze mehr flechten.
Weder heute noch morgen. Weil kein Zug sie
wirklich nach Norden bringt. Sie wird keine Stängel an
Blüten flechten, keine Tage um Leeren. Sie wird
aufstehen, den Sichtschutz öffnen und an den
klappernden Ziegen vorbei mit der Vespa ihr Ziel finden.
Wo das ist?
Das wird sie uns nicht sagen,
denn das ist kein Stoff für Gedichte.