Wäschekörbe sind Alltagsgegenstände wie viele andere, natürlich heute aus Plastik; Sie erfüllen wenige Funktionen: schmutzige Wäsche hinein, in die Waschmaschine umgefüllt, saubere Wäsche herausgezogen und in die Trockenmaschine hinein. Trockene Wäsche heraus, gelegt, gestapelt, gebügelt, der Wäschekorb mit dem Fuß in eine Kellerecke geschubst. Und das war’s dann.

Hätte ich als Kind jemals den alleinigen, einzigen Wäschekorb so misshandelt, so hätte ich mir das Entsetzen und Geschimpfe meiner Eltern eingehandelt, denn er war wichtig und für alles in Gebrauch, und dies immer noch auch in den 50er Jahren, als sich das Rheinland langsam vom Krieg erholte.

 Er war nicht schön, aber groß. Er war oval und aus Rohr geflochten und hatte zwei abgenutzte Tragegriffe an beiden Schmalseiten. Das Flechtwerk quietschte schon vom vielen Gebrauch vor allem durch mich. Es knarzte gewaltig, wenn ich mich hineinsetzte und Schiffskapitän spielte. Der Wäschekorb ersetzte für mich jedes denkbare Fahrzeug, denn ein anderes Gefährt besaß ich noch nicht. Lustig war’s, wenn ich darin herumrutschte, lustiger, wenn mich eine Freundin darin durch tiefen Schnee oder hohes Gras im Garten zog.

Meine Mutter regte sich allerdings über die Maßen auf, wenn sie mich dabei erwischte und oft wurde ich dann vom Hohen Gericht, meinem Vater, verurteilt und in der Speisekammer eingeschlossen: Das war meine übliche Haftstrafe.

Dieser Wäschekorb schien für meine Eltern eine Bedeutung zu haben, die mir nicht einleuchtete und die mich neugierig machte.

Meine Mutter erzählte mir dann sparsam und zögerlich, der Korb gehöre zu den wenigen Gegenständen, die wir aus unserer Wohnung zur Evakuierung hätten mitnehmen können. 1944 hätten wir, mein Vater, sie und ich, unser Wohnhaus in Refrath verlassen müssen, weil Krieg gewesen sei, und auf der Flucht vor den Bomben hätten wir mit vielen anderen Menschen „aufs Land“ ziehen müssen. Wir wären auf einem Bauernhof untergekommen bei netten Leuten. Später erzählte sie noch eine lustige Geschichte von einer Ziege, die mich in den Popo gestoßen hätte.

Sie sprach nicht von ihrer Angst um meinen kranken Vater, vom Hunger, von der Not aller Menschen, die mit uns zusammen ihr Zuhause hatten verlassen müssen. Sie sprach nicht von der Gefahr, in der wir alle geschwebt hatten in diesem Herbst 1944.

Sie sprach nie davon. Und deshalb tue ich es.

Von Ende September bis Anfang November ging auf die deutschen Städte ein Bombenhagel ohnegleichen nieder.

Die Amerikaner flogen damals 49 Großangriffe, die Briten 25. In dieser Phase war Köln mit seiner näheren Umgebung der am häufigsten angegriffene Zielraum, dem schwere Tages- und Nachtangriffe galten. Unser Haus in Refrath lag durchaus im Kölner Randgebiet. Köln war am Ende, die gesamte Infrastruktur zerstört, alle Möglichkeiten der Kommunikation unterbunden, die letzten Metzgereien und Bäckereien fielen aus. Totale materielle Zerstörung: Wie wirkte sich das aus auf die in der Stadt verbliebenen Menschen? Niemand zwang sie zu bleiben oder das Rheinland zu verlassen, aber am 4. November forderten die deutschen Restbehörden Frauen, Kinder und kranke Personen auf, sich zur Umquartierung zu melden. Täglich fuhren jetzt Züge z. B. nach Sachsen, unter schwersten Bedingungen, ohne ausreichende Versorgung, in kalten Zügen.

Wie wirkte sich das aus auf meine Mutter, meinen herzkranken Vater, die in einem dieser Züge saßen?

Niemals nur ein Wort davon, weder an das kleine noch an das größer werdende Mädchen: „ Wir waren ja bei dir. Du warst behütet.“

Damit war ich als Kind zufriedengestellt.

Aber dieses Sicherheitsversprechen war nichts anderes als Beruhigungstropfen.

Es geschah schon ein Jahr vor der Evakuierung im Herbst 1943, als wir noch zu Hause in Refrath lebten und meine Eltern auf ein baldiges Kriegsende hofften.

Luftalarm! Die Eltern hatten gerade noch Zeit, in den Keller zu eilen, mit mir, dem 5 Monate alten Säugling. Ich lag sicher eingebettet im Waschkorb, mein Vater trug mich in die Nähe eines Kellerfensters, um das Geschehen draußen mitverfolgen zu können. Plötzlich eine Detonation, mit lautem Klirren zerbrach die Kellerfensterscheibe. Mein Vater hatte sich schützend über den Waschkorb gebeugt, aber ich lag da, blutüberströmt: Unter seinem Arm hindurch hatte ein Granatsplitter meine Schläfe getroffen, wenige Zentimeter vom Auge entfernt.

Ein Arzt in der Nachbarschaft hat mich gerettet.


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