Der Weg ist mit braunen Blättern bedeckt. Nur die Mitte ist als gerade Linie noch zu sehen. Die Äste der Bäume bilden eine Kuppel, unter der ich hindurchschreite. Grün hängt in den Zweigen wie Farbtupfen auf einem abstrakten Bild. Gefallenes Holz wird hier liegen gelassen. Ich fühle mich genauso. Liegen gelassen.

Ich gehe langsam, gehe bedächtig. Ich habe Zeit. Zuhause wartet niemand mehr auf mich. Ich atme die frische Luft tief ein. Hinter der Wegbeuge komme ich an eine Wiese, die abschüssig am Hang liegt. Ein Hun hat mich gewittert, bellt. Eine Weile läuft er auf seiner Seite des Zauns mit. Dann plötzlich sehe ich sie: zwei weiße und ein braunes Alpaka. 

Wie seltsam in diesem heimischen Wald. Aber klar, die hält sich jemand als Haustier. Am Zaun häng ein Schild: Bitte nicht füttern! Die Tiere werden davon krank. Eine Weile beobachte ich die Tiere, die wie kleine Schiffe über die Wiese gleiten, während der Hund mich wachsam im Auge behält.

Eines der Alpakas hat mich gesehen und kommt kauend auf mich zu. Sofort schlägt der Hund wieder an. Er will mich hier auch nicht haben. Ich gehe weiter. Jogger überholen mich. Blätter rieseln wie Schnee von den Bäumen, ohne dass mich eins davon trifft. Ich könnte wohl rufen, singen, wild mit den Armen wedeln… keiner würde mich hören oder sehen heute. Meine Textnachrichten driften ins Nirgendwo, kein antwortendes Ping seit Stunden. Was fange ich mit mir an so zwischen den Welten? Wo jeder Impuls sich ins Nichts verläuft?

Ich bleibe stehen, Horche. Ein Specht bei der Arbeit. Ich suche zwischen den Baumstämmen und da ist er. Schlägt rhythmisch mit dem Schnabel auf die Rinde. Wie eine kleine Maschine, eine Aufziehpuppe, ein Trommelhäschen.  Ich mache ein Video. Jetzt ist es wohl Zeit weiterzugehen.

Aber meine Beine stecken fest. Ich habe Wurzeln geschlagen. Das ist mir noch nie passiert. Sie müssen schon ziemlich tief und kräftig sein, denn alles Ziehen und Zerren bekommt mich nicht frei. Ich schalte das Handy frei. Kein Netz! War ja klar. Ich starre noch auf den Bildschirm, der sich vor meine Augen um meine Hand biegt, weiter hinuntergleitet und zerfließt wie eine Uhr von Dali. Nun ist es eine schwarze Plastikpfütze zu meinen Füßen.

Nun macht sich doch Panik breit. Ich hebe die Arme über den Kopf, Zerre noch einmal mit all meiner Schwungkraft und kann die Arme nicht mehr senken. Kleine Blätter spießen aus meinen Fingern und ich wundere mich, dass es nicht weh tut. Ein Baum. Ich verwandele mich in einen Baum!

Das habe ich nun auch nicht gewollt. Ein Kläffen kommt aus dem Wald, wird lauter. Da ist er ja wieder, der Hund. Er schnüffelt an meinem Bein. Meine Jeans hat sich inzwischen schon in braune Rinde verwandelt. Er läuft einmal um mich herum und hebt dann das Bein. Ein gelber, warmer Strahl trifft mich. Die Rinde bröselt, wo das Urin sie durchfeuchtet. 

Jetzt sinken meine Arme an meine Seite, die Blätter fallen von meinen Fingern und Armen und auch meine Beine kann ich wieder heben, wenn auch etwas taub. Danke, sage ich zu meinem Hundefreund, greife nach den Überresten meines Handys und sehe zu, dass ich nach Hause komme.


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