Wo ist Sabine – von allen Bienchen genannt? Heute ist doch Badetag, ihr Lieblingstag der Woche. Schon beim Frühstück zaubert Mutter mit den Worten „Badetag für Nixen“ ein Lächeln auf Bienchens pausbackiges Gesicht. Bienchen klatscht dann in die Hände und ruft „Au fein!“. Bienchen liebt das Baden und die Geschichten über die kleine Meerjungfrau bis zu der Stelle, wo das Schiff des Prinzen versinkt. Da soll Mutter immer aufhören zu lesen. Prinzen sind Bienchen nicht wichtig, besonders nicht solche, die Schuld sind, wenn Nixen zu Meerschau werden.

            Doch heute ist Bienchen nirgends zu finden, nicht in der Küche, nicht bei den Hühnern, um die Eier zu zählen und das Gipsei zu bewundern, das die Hühner zum Eierlegen brauchen, nicht auf dem Heuboden, wo die Katzen ihre Junge kriegen und nicht auf der Weide zum Wettmuhen mit den Kühen. Wo ist Bienchen nur?

            Da sieht Jürgen der Knecht den Bürgermeister auf dem Rad heraneilen. Eine richtige Staubwolke wirbelt er auf und nicht mal die Hosenbänder hat er an, und seine Anzugshose flattern gefährlich nah an den Speichen. 

„Sie müssen kommen Frau Hinze, schnell!“, japst er, nachdem er seinen Drahtesel hat fallen lassen. Dann stützt er sich auf den Knien ab und holt erst einmal Luft und hustet.

„Um Himmels Willen!“, ruft Mutter. „Ist was mich Bienchen.“

„Ja!“, hustet der Bürgermeister und Mutter wird blass wie die Vogelscheuche aus Bettleinen, die wir in den Obstgarten gestellt haben.

„Ist ihr was passiert?“

„Nein. Nichts Schlimmes. Doch was Schlimmes, aber Bienchen geht es gut. Sie badet…“ Wieder ein Hustenanfall.

Mutter legt die Stirn in Falten. Sie ist keine geduldige Frau, besonders nicht, was Männer und ihre Unentschlossenheit angeht. „Sie badet?“

„Ja.“

„Aber das ist doch nichts Schlimmes“, versucht Jürgen zu helfen.

„Doch“, sagt der Bürgermeister und richtet sich auf. „Sie badet im Dorfbrunnen.“

Mutter schlägt die Hand vor den Mund. Jürgen grinst doch dann ruft er: „Oh nein! Doch nicht etwa nackt?“

Der Bürgermeister nickt verzweifelt. „Wie Gott sie schuf, bis auf die Badekappe.“


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